BINZ39


/ Izidora I LETHE, _____ (breath, blow, kiss), 5. April – 4. Mai 2024, Eröffnung 4. April 2024, kuratiert von Céline Matter /


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Heavy Middle
Thomas Moor
8.4 - 8.5.2021








Bilder von Claude Barrault


Beim Einfahrt in das kleine Aargauer Dorf Frick, den Geburtsort von Thomas Moor, wird man von einer riesigen Saurier- skulptur begrüsst. Sie steht einfach da in der Mitte vom Kreisel. Schwer, verloren und allein. So wird sie auch von Moor in dem fast autobiografischen Saurier im Kreisel dargestellt, fast wie ein King Kong in der Nähe der Tankstelle mitten im Aargau. Dieser Saurier gehört zur neuesten Serie Moors und zu seiner Auseinandersetzung mit der Thematik der Land- schaft und deren Darstellung in Kunstgeschichte und Gegenwart. Im Anschluss an den Corporate Realism, einer sich seit 2018 entwickelnden Arbeitsserie von Logos und Etiketten von Mineralwassermarken aus aller Welt - hier durch Κορπή und Hell, wie auch durch den Vorläufer der Serie, Swiss Alchemist (Rivella rot) vertreten -, erforscht er weiter mittels die- sem Fokus auf Malerei den Zweck einer bildlichen Darstellung.

Ein Bild ist letztendlich ein Zeichen und nach dem Schweizer Semiotiker Ferdinand de Saussure, setzen sich Zeichen aus der Beziehung zwischen dem Signifikanten und dem Signifikat zusammen. Moor interessiert sich für die Art und Weise, wie sich die Landschaften (als Signifikant) über die Jahrhunderte in die europäische Malerei als Rahmen für religiöse Erzählungen (Signifikat) eingeschlichen haben. Zudem sieht er eine Verknüpfung mit der Art und Weise, wie Landschafts- darstellungen von der zeitgenössischen Werbeindustrie aneignet werden. Durch die spielerische Versöhnung von Sig- nifikat und Signifikant deutet Moor die Möglichkeit einer visuellen Kultur an, die durch die Aneignung der Werbesym- bolik sich selbst freisetzt. Anstatt der in der westlichen Tradition verwurzelten leidenschaftlichen Jagd nach objektiven Wahrheiten, hinterfragen diese spekulative Landschaften, was wir tatsächlich über unsere Umgebung wissen, aber auch, was wir noch nicht wissen und wo es noch Spielraum und sogar Bedarf für Spekulationen gibt. Die Ersetzung der mächti- gen überwachenden Menschenfigur, wie man sie in einer Caspar-David-Friedrich-Landschaft vermuten würde, durch ein Tier in Bigger Picture, bezieht sich genau auf diese Überlegungen.

Diese Art von Spekulation bringt uns dazu, unsere Ursprünge zu hinterfragen, ebenso wie die Strukturen, die wir ge- genwärtig bewohnen und die Institutionen, die zu diesen Strukturen beitragen. Kunstinstitutionen und Museen sind ein Beispiel für solche Strukturen. Die ältere Arbeit Mood Painting (2013) stellt die Szenografie solcher Institutionen in Frage, indem sie die Hintergrundfarbe einer Wand in einem Museum abbildet. Indem sie sich auf den Hintergrund konzentri- ert und nicht auf den Inhalt, auf den unsere Augen trainiert sind zu schauen, hinterfragt diese Arbeit die Regeln und Vorschriften einer Institution und des White Cube - wie beeinflusst die Szenografie unsere Wahrnehmung des Werkes selbst? Durch die Umkehrung dieses Verhältnisses und die Entkontextualisierung der Farbe untersucht das monochrome Gemälde eine räumliche Stimmung einer möglichen Kunstinstitution mit dem Hauch von Höflichkeit, dem Klick-Klack- Klang der Absätze, der von den Marmor- und Holzböden widerhallt, und den Geflüsterwolken.

Im Schaffen von Thomas Moor beschreibt diese wechselseitige Rollenumkehrung ein Spiel zwischen dem Signifikant und Signifikat und verspiegelt eine schon seit den Zeiten des mittelalterlichen Handels von Konsum und Werbung eroberte Welt. Die Art und Weise wie diese Signaletik in der Konsumgesellschaft gebraucht wird, wird spielerisch in Arbeiten wie Vanitas (American Exit), Vanitas (European Exit), Old Spice und Renaissance verspiegelt. Anschließend ergänzt Advisory diese Thematik der korporativen Hymnes und ladet jeden für ein Selfie ein.

Die einzige freistehende Arbeit ist Halo, eine in 2020 für die mit Johanna Kotlaris organisierte Ausstellung Christi Drive-th- ru im Giardini Arp in Locarno im Sommer 2020 entstandene Skulptur, die in Materialität und Formgebung an die Silhou- etten von Hans Arp erinnert. Und als solche ist sie eine gültige Metapher für einen Bildraum, der sich auf Imagination verlässt und gleichzeitig auf direkter, verkörperter Erfahrung basiert. In Moors’ künstlerischer Grammatik sind Saurier, Berge, Himmel und branded Paraphernalia alle Teil derselben Semantik, in der Rationalität und Interpretation tatsächlich zwei Seiten derselben Münze sind.

Ein Zyklus von Bildern, inspiriert von der CALM-App, einem Beruhigungsmittel des digitalen Zeitalters, das sich mit Proble- men wie Schlafstörungen und allgemeiner Angst beschäftigt. Gefunden im unendlichen Scrollen einer Social-Media-Plat- tform, die unter anderem selbst diese Probleme verursacht, suggerieren die visuellen Hinweise und die Landschafts- hintergründe Serenität und Frieden. In 2017 und 2018 wurde CALM zum App des Jahres gekürt. Hier ergreift Moor die Chance, diese Visuals des bekanntesten Symbols der Ruhe neu zu interpretieren und sich anzueignen - so entsteht die psychologische Vereinnahmung der Landschaft wie Calm und Wandermeditation.

Die Durchmischung dieser Arbeiten durch- und ineinander spiegelt Moors Arbeitsprozess und ermöglicht eine nicht-lin- eare und nicht-hierarchische Übersicht über die in den letzten Jahren entstandenen Malereien. Heavy Middle gleicht ei- nem Parcours durch Thomas Moors breite Produktion und bietet aber auch einen Blick in die Komplexität und Vielfältigkeit von Fragen und Themen, die das reflektierte und reflektierende Universum von Moor ausmachen.

Thomas Moor (*1988, Densbüren/Fricktal, lebt und arbeitet in Zürich) hat einen Master-Abschluss in Bildender Kunst der HEAD - Genf. 2014 war erhielt er den Nationale Suisse Preis sowie den Kiefer Hablitzel-Preis. Seine Werke wurden unter anderem gezeigt im Museum Haus Konstruktiv, Aargauer Kunsthaus, Kunsthalle Sankt Gallen, Museo d’Arte Citta di Luga- no, Forde Genf, IRL Institute Miami US, Despacio San José CR, Galeria Marso Mexico City MX, Deborah Bowmann Bruxelles BE. Im Jahr 2017 betrieb er den Kunstraum Urgizzy in seiner Heimatregion Densbüren/Fricktal.


8.4.21 / 18.00
Vernissage

8.5.21 / 14 - 17 Uhr
Finissage

Öffnungszeiten:
Do - Sa
14 - 17 Uhr





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