BINZ39


/ Tomorrow and Tomorrow and Tomorrow Again, Opening 29 February, 2024. With works by Henry Belden, Sofia Defino Leiby, Rachel Fäth, Manuela Gernedel, Sven Gex, Tom Humphreys, Miriam Laura Leonardi, Georgie Nettell, Riccardo Paratore for Specchi Magici, Margaret Raspé, Linda Semadeni, Philipp Simon, and related materials. Organised by Julia Künzi and Dominic Michel /


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8005 Zürich


Do – Sa
14 – 17 Uhr
oder auf Anfrage


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MUSEUM OF INDIGENOUS HUMAN REMAINS REPATRIATION
Sally Schonfeldt
21.4 - 20.5.2017



Kuratiert von Irene Grillo







Bilder von Flavio Karrer

Stellen Sie sich eine Zukunft vor, in der alle europäischen Museen von ihren riesigen kolonialen Sammlungen entkolonialisiert wurden. Stellen Sie sich vor, dass alle menschlichen Überreste der Ureinwohner, die zahlreich in den versiegelten Lagerräumen der Museen aufbewahrt sind, zu ihren rechtmässigen Besitzern zurückgeführt wurden. Würde dann ein Museum existieren, welches die Geschichte des Kampfes der indigenen Völker für die Rückforderung ihres kulturellen Erbes und den Streit um die Rückführung der Knochen ihrer Vorfahren dokumentiert?

In ihrer neuen Arbeit Museum of Indigenous Human Remains Repatriation konstruiert Sally Schonfeldt genau ein solches Museum, das ausschliesslich der zeitgenössischen Bewegung für die Rückführung der menschlichen Überreste zu den indigenen Völkern gewidmet ist, und schlägt damit eine radikale Vision für eine entkolonialisierte Zukunft vor. Schonfeldts Museum wird zu einem Gegenarchiv, das in direkter Konfrontation mit der aktuellen Tendenz vieler ethnologischer Museen steht: Auf der Suche nach einem angemessenen Umgang mit ihren problematischen kolonialen Sammlungen, laden sie immer häufiger zeitgenössische KünstlerInnen dazu ein, in den historischen Diskurs der Museen mit eigenen Werken zu „intervenieren“.

Schonfeldt schlägt stattdessen ihr eigenes Museum vor, welches nach dem traditionellen Aufbau einer solchen Institution entwickelt wurde. In der ersten Hälfte der Ausstellungsräume präsentiert sie eine „Sonderausstellung“, die andere Hälfte hat sie in einen „Lesesaal“ umfunktioniert. In beiden Räumlichkeiten setzt sie sich mit dem Thema der Repatriierung indigener menschlicher Überreste auseinander. Durch die sorgfältig durchdachte und präzis arrangierte Präsentationsform gelingt es Schonfeldt, die vielfältige Komplexität des Arguments sowie dessen Dringlichkeit im zeitgenössischen Diskurs zu vermitteln.

In der temporären Ausstellung werden zahlreiche Reproduktionen von historischen Dokumenten sowie eine diskursive Videoinstallation gezeigt. Mit Hilfe des ausgestellten Materials versucht Schonfeldt, den gescheiterten Repatriierungsanspruch einer Gruppe von BewohnerInnen der Torres-Strait-Inseln im Jahr 2011 zu rekonstruieren. Damals weigerte sich das Britische Museum, zwei heilige Ahnenschädel den InselbewohnerInnen zurückzugeben, welche Ende des 19. Jahrhunderts vom Anthropologen Alfred Cort Haddon nach England gebracht wurden und sich immer noch in der Sammlung des Museums befinden.

Die Künstlerin nimmt diese Ablehnung als Orientierungspunkt für ihre neue Arbeit auf. Sie erforscht diese besondere Mikrogeschichte ausführlich und verwendet sie gleichzeitig als ein Mittel, um die gesamten Diskurse über die Rückführungsbehauptungen – wie zum Beispiel die kolonialen Verflechtungen anthropologischer Expeditionen und Museumssammlungen – kritisch zu hinterfragen. Im „Lesesaal“ des ironisch nachgeahmten Museums befindet sich das Archiv des Museum of Indigenous Human Remains Repatriation. Schonfeldt stellt hier dem Publikum ihr Recherchematerial zur gesamten Rückführungsthematik für die offene Konsultation zur Verfügung.

Sally Schonfeldt (*1983 in Adelaide, Australien, lebt und arbeitet in Zürich) studierte Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste, wo sie 2014 mit einem Bachelor in Fine Arts abschloss. Schonfeldt beschäftigt sich vorwiegend mit den dialogischen Beziehungen zwischen der Theorie und den Möglichkeiten einer künstlerischen, ästhetischen Forschung. Sie verwendet die Geschichtsschreibung (sprachliche Vermittlung historischer Erkenntnisse), um die Methode der Wissensproduktion in Bezug zum postkolonialen Diskurs und die Stellung der Frau in der Geschichte zu hinterfragen. Ihre bisherigen Arbeiten umfassen u.a. Plattenstrasse 10 (2014), The Struggle within the Struggle (2015) und The Ketty La Rocca Research Centre (2016). Schonfeldt hatte Einzelausstellungen u.a. im Istituto Svizzero, Rom (2016) und Up State, Zürich (2015). Sie war an unterschiedlichen Gruppenausstellungen beteiligt u.a. in der Kunsthalle Zürich (2017), in der Shedhalle, Zürich (2015) und im Helmhaus (Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich 2014).

(Text: Irene Grillo und Sally Schonfeldt)

Mark